Erna Fahrig und Sohn Kalle
Woll’n heut’ mit der Bahn nach Halle.
Just sie eil’n, die Zeit ist knapp,
Mit viel Gepäck den Berg hinab.
Und ohne Rast noch ohne Ruh
Streben sie dem Bahnhof zu.
Schnell noch durch die Elsterau’n,
Schon kann man die Brücke schau’n.
Als Dreierbrücke wohl bekannt,
Weil früher hier ein Zöllner stand.
Gar keiner ging ihm durch die Lappen,
Drei Pfennig mußt' man erst berappen.
Doch heute geht es ganz geschwind
Und mit ein bisschen Rückenwind
Hat man die Brücke schnell passiert,
Weil niemand mehr dafür kassiert.
Da kündet schon die Bahnhofsuhr:
Bis Abfahrt zehn Minuten nur.
Bald hebt der Schaffner seinen Stab.
Dann fährt der Zug auch pünktlich ab.
Doch plötzlich schickt der Augenblick
Frau Fahrig schier ein Mißgeschick.
Ihr Absatz klemmt in einer Lücke
Zwischen zwei Brettern auf der Brücke.
Nun steckt der schöne Schuh mit Schnalle
In dieser hölzern Brückenfalle.
Wie sie auch ruckeln und auch rackeln,
Es hilft kein ziehen und kein wackeln.
Die Zeit vergeht, die Uhr voran,
In Kürze fährt die Eisenbahn.
Da faßt bei allem Überdruß
Frau Fahrig folgenden Entschluß:
Mit einem Knick trennt sie im Nu
Den Absatz vom verklemmten Schuh.
Dann schnell zur Bahnhofshalle laufen,
Um einen Fahrschein noch zu kaufen.
Und zwanzig Stufen hoch zum Gleise.
Mit gar viel Hast beginnt die Reise.
Der Schaffner pfeift und hebt die Kelle,
Der Zug bewegt sich von der Stelle.
Zwar ohne Absatz, doch mit Schnalle
Fährt Erna mit dem Schuh nach Halle.
Vergessen will sie grad die Pein
Da stellt sich eine neue ein.
Es kommt doch prompt der Kontrolleur
Und mit ihm auch schon das Malheur.
Mit ernstem Blick, nach Schaffners Art:
„Die Karte gilt nicht für die Fahrt.
Da haben Sie jetzt ein Problem.
Nach Halle soll die Reise geh’n?
Da sind Sie falsch, hab’n Sie noch Geld?
Das ist der Zug nach Osterfeld.“
Man kann sich seine Nerven stärken,
Und diesen Rat sich willig merken:
„Wenn Du willst eine Reise machen,
Nimm Dir viel Zeit und wenig Sachen.“